Achtsamkeitstraining – Ganz bei sich sein

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Zusammenfassung
Der Begriff Achtsamkeit (im Englischen „Mindfulness“) bezeichnet, wenn man sich auf die Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks konzentriert. Achtsamkeitsübungen oder Achtsamkeitstraining sind daher körperorientierte und gedankenbasierte Techniken zur Entwicklung dieser fokussierten, ablenkungsfreien und nicht-wertenden Aufmerksamkeit. So soll nicht nur der Fokus und die Konzentrationsfähigkeit verbessert, sondern auch Stress reduziert, der Umgang mit chronischen Schmerzen erleichtert und zur Therapie bestimmter psychischer Erkrankungen beigetragen werden.
Was ist Achtsamkeitstraining?
Achtsamkeitstraining ist ein Sammelbegriff für verschiedene therapeutische Ansätze:
- Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR, Mindfulness Based Stress Reduction nach John Kabat-Zinn)
- Achtsamkeitsbasierte kognitive (Psycho-)Therapie
- Achtsamkeitsübungen als Teil einer dialektisch-behavioralen Therapie
Die Übungen zur Achtsamkeit, die im Rahmen dieser Ansätze verwendet werden, stammen ursprünglich aus der buddhistischen Meditation und wurden nur leicht verändert, obwohl die Tradition bereits mehr als 2.500 Jahre alt ist. Achtsamkeitsübungen können prinzipiell von allen Menschen erlernt und durchgeführt werden. Als Ziel der achtsamkeitsbasierten Therapieverfahren sehen Expertinnen und Experten in erster Linie nicht die Symptomreduktion, sondern Menschen dabei zu helfen, sich in ihrem Leben neu zu orientieren.
Wann kann Achtsamkeitstraining helfen?
Achtsamkeitstraining kann in vielen Situationen und beim Umgang mit verschiedenen Erkrankungen helfen. Generell kommt es im therapeutischen Bereich oft bei Menschen zum Einsatz, bei denen die bisherige Therapie nicht oder nur teilweise geholfen hat. Zu den Bereichen, in denen Achtsamkeitsübungen erfolgreich eingesetzt werden, zählen unter anderem:
- Angststörungen, Depressionen (insbesondere zur Senkung des Risikos eines depressiven Rückfalls), sowie Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung
- Chronische Schmerzen (darunter Migräne, Kopfschmerzen, chronische Schmerzen im unteren Rücken und Muskel- und Skelettschmerzen)
- Rauchen und Suchterkrankungen
- Stress und Burnout
- Achtsames Essen für das Gewichtsmanagement
Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass Achtsamkeitstraining unter anderem durch die Stressreduktion auch eine entzündungshemmende Wirkung hat und sich positiv auf Stresshormone, Blutdruck und weitere körperliche Aspekte auswirken kann.
Wie wird Achtsamkeitstraining durchgeführt?
Auch wenn sich die Anwendungsbereiche des Achtsamkeitstrainings unterscheiden, gibt es eine Reihe typischer Übungen, die häufig eingesetzt werden:
- Atemübungen
- Bodyscan (achtsame Körperwahrnehmung)
- Nichtwertende Gedankenbeobachtung
- Achtsame Beobachtung eines Gegenstandes
- Achtsames Handeln im Alltag (auf die aktuelle Handlung konzentrieren)
- Gehmeditation
Achtsamkeit bedeutet im Fall der Gehmeditation beispielsweise, dass man sich selbst und alles um einen herum beim Gehen bewusst wahrnimmt. Bei der Fokussierung auf das Hier und Jetzt helfen bestimmte Fragen, wie:
- Wie atme ich?
- Wie bewege ich mich?
- Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf?
- Welche Gefühle nehme ich wahr?
Zusätzlich werden Bewegungen bewusst ausgeführt, zum Beispiel wird der Fuß besonders langsam abgerollt.
Generell gilt es, keinen der wahrgenommenen Gedanken zu bewerten, sondern quasi als unparteiischer, nicht-urteilender Beobachter, die eigenen Gewohnheiten und Denkmuster zu erkennen. Beim Achtsamkeitstraining geht es also nicht darum, den Kopf von allen Gedanken zu befreien. Vielmehr sollen sich Menschen der eigenen, eventuell festgefahrenen, Denkweisen bewusstwerden und diese beobachten, anstatt sie automatisch ablaufen zu lassen.
Beispielsweise können Menschen in der Rückfallprävention nach einer Entzugstherapie so lernen, ihren ersten Handlungsimpuls wahrzunehmen, aber dem Verlangen nicht sofort nachzugeben. So lernen sie, dass das Verlangen nach einiger Zeit wieder abebbt und es nicht notwendig ist, sofort darauf zu reagieren.
Mindfulness-Apps
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Apps, die sich mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigen. Einige Übersichtsstudien zeigen positive Effekte solcher Apps auf die Symptome von Depressionen und Angststörungen, sie können aber auch das Stresslevel reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden verbessern. Zu bedenken ist jedoch, dass es zwar eine Vielzahl solcher Apps gibt, aber nur wenige sich an wissenschaftlichen Richtlinien orientieren. Zudem erfüllen viele Apps die gewünschten datenschutzrechtlichen Standards nicht. Das Potenzial ist jedoch vorhanden und wird eventuell in Zukunft zu Entwicklung von Achtsamkeitsapps führen, die auf Ergebnissen umfassender Studien fußen. Teilweise gibt es jetzt schon Apps, die Achtsamkeitsübungen beinhalten, als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), d.h. die App kann vom Arzt verschrieben werden und die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
Alle Achtsamkeitsübungen basieren auf regelmäßigem Üben und Geduld. Die Übungen sollten regelmäßig, am besten täglich, und über einen längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden, damit die positiven Effekte spürbar werden.
Wer trägt die Kosten für ein Achtsamkeitstraining?
Handelt es sich um eine achtsamkeitsbasierte Therapie, beispielsweise zur Vorbeugung einer erneuten depressiven Phase oder zur Stressreduktion, wird meist eine bestimmte Anzahl psychotherapeutischer Sitzungen durchgeführt, während derer die Achtsamkeitsmethoden vermittelt werden. Diese können je nach Therapie als Einzel- oder Gruppensitzungen stattfinden. Zusätzlich erhalten Betroffene die Aufgabe, Übungen zuhause zu wiederholen. Auch ohne Therapie lohnt es sich, Achtsamkeitsübungen regelmäßig durchzuführen und das nicht nur bei akuten Beschwerden. Teilweise werden die Kurse (oder Apps) in Deutschland als Präventionsmaßnahmen durch die gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst.
Wann sollte Achtsamkeitstraining nicht eingesetzt werden?
Prinzipiell kann jeder Mensch Übungen zur Achtsamkeit durchführen. Diese allein ersetzen jedoch keine Therapie. So sollte zum Beispiel die achtsamkeitsbasierte Reduzierung von Stress nicht ohne andere Therapieformen bei Menschen mit psychotischen Krisen, akutem Substanzmissbrauch oder akuter Selbstgefährdung zum Einsatz kommen. Bei Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Verletzungen ist es wichtig, zunächst ärztlichen Rat einzuholen, um sich zu vergewissern, dass die Übungen sicher durchgeführt werden können. Das Gleiche gilt auch für Menschen in einer akuten depressiven Phase, bei seelischen Traumata und bestimmten anderen psychischen Störungen.
Veröffentlicht am: 24.04.2025
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